Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gedenkt Fritz Bauer

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01.07.2018

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gedenkt Fritz Bauer
Zum 50. Todestag des Juristen und Kämpfers für die Menschenrechte

Bei einem Gedenkakt in der Frankfurter Paulskirche gedachte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier heute des vor 50 Jahren aus ungeklärten Ursachen verstorbenen hessischen Generalstaatsanwalts Dr. Fritz Bauer (1903-1968).

In seiner Rede würdigte der Bundespräsident Leben und Werk des bedeutenden Juristen mit großer Empathie und sehr persönlichen Worten. Eingangs erinnerte er an die autobiographische Skizze, die wir Alexander Kluge verdanken und die von der Trauerfeier für Bauer berichtet. Bei dieser Feier, zitiert Frank-Walter Steinmeier den Schriftsteller Alexander Kluge, war der kleine Kreis der Weggefährten zusammengekommen, Familie, Freunde und „die kleine Regierungsschicht des Landes, die nach 1945 angetreten ist, einen antifaschistischen Kurs durchzuhalten.“

Der Bundespräsident erinnerte an die Trostlosigkeit der Freunde von Fritz Bauer, die von dessen Tod überrascht wurden, und vor allem daran, „dass der verstorbene Freund in seinem Leben selbst so wenig Trost erfahren hatte, dass er in einem Land, um dass er sich bemüht und verdient gemacht hatte, kaum Beistand bekommen und wenig Anerkennung erlebt hatte.“

Tatsächlich hat Fritz Bauer, der sich um unser Land, um unsere Geschichte und vor allem im Kampf für den Aufbau einer neuen, humanen Rechtsordnung mehr Verdienste als wohl jeder andere zu seiner Zeit erworben hat, nie eine Auszeichnung erhalten. Frank-Walter Steinmeier bezeichnet Fritz Bauer in seiner Rede als „eine der Schlüsselfiguren, die Deutschland den Rückweg in die Gemeinschaft der Völker geebnet hat.“ Doch das Land, in das der Jurist und Widerstandskämpfer nach vierzehn Jahren Exil in Skandinavien zurückkehrte, der Staat, für den er arbeitete, misstraute ihm. Ein Staat ausgerechnet, so der Bundespräsident, zu dessen „politischer Kultur Bauer in den 1950er und 1960er Jahren wohl so viel beigetragen hatte wie kaum ein anderer.“

Fritz Bauer war kein Nazijäger und kein Rachegott

Was erhoffte sich Fritz Bauer, als er nach Deutschland zurückkehrte, dieser Frage stellte sich der Bundespräsident, und er kommt dabei auf die eigentliche Bedeutung von Bauers Werk und auf die NS-Prozesse zu sprechen. Bis in die „letzten Verästelungen“ der Befehlsketten habe Bauer den Geschäftsverteilungsplan des NS-Staates sichtbar gemacht und, folgert Frank-Walter Steinmeier mit Fritz Bauer: „Jeder hätte erkennen müssen, dass Schuld nicht durch Arbeitsteilung unkenntlich zu machen ist.“ Jeder der im NS-Staat ein Amt bekleidete, heißt das, musste erkennen, dass er „beteilgt war an einem beispiellosen Menschheitsverbrechen.“

Dass es für dieses Verbrechen keine Sühne und keine Wiedergutmachung geben kann, dass Gerechtigkeit mit den Mitteln des Strafrechts kaum wiederherzustellen ist, verbindet Frank-Walter Steinmeier mit dem Hinweis auf die eigentliche Aufgabe, die Bauer sich und uns stellt, nämlich „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dafür Sorge zu tragen, dass sich dergleichen nicht wiederholt.“ Der Sinn der Auschwitz-Prozesse lag für Fritz Bauer, zitiert Frank-Walter Steinmeier den Juristen, „in der unumgänglichen Erkenntnis, dass Anpassung an einen Unrechtsstaat Unrecht ist. Wenn der Staat kriminell ist, weil er die Menschen- und Freiheitsrechte, die Gewissensfreiheit, das Recht auf eigenen Glauben, auf eigene Nation und Rasse, das Recht auf eigenes Leben sytematisch verletzt, ist Mitmachen kriminell.“ Der Bundespräsident fügte noch hinzu: „Und deshalb die Straflosigkeit der Täter eine Verhöhnung der Opfer.“

Fritz Bauer würde diesen Staat heute verteidigen

Dessen sei er sich sicher, sagte Frank-Walter Steinmeier, dass Fritz Bauer den demokratischen Rechtsstaat, dem wir im Sinne Bauers sehr nahe gekommen seien, heute verteidigen würde. Durch sein Vorbild tue er dies noch immer. Niemand konnte ihn ersetzen, das wussten schon seine Zeitgenossen, aber was wir heute bräuchten, so der Bundespräsident, sei der streitbare Geist eines Fritz Bauer, „der sich gegen das Wiederaufkeimen von Nationalismus und Menschenverachtung wendet.“ So wenig sich Fritz Bauer der Illusion hingegeben habe, „der Kampf um und für die Demokratie könne zu einem Abschluss geführt werden“, dürfe es heute einen Rückzug geben.

Die gegenwärtige „neue Faszination des Autoritären“, des „Irrationalen“, eine „Sprache der Wut“ und der „Verächtlichmachung der politischen Institutionen“ hätte Fritz Bauer gewiss besorgt. Frank-Walter Steinmeier spricht dies zum Schluss seiner Rede an, und er beendet sie von daher mit einem Appell an eine Haltung: „Demokratie verlangt Wachheit. Und sie erlaubt keinen Rückzug, sie will Einmischung, um ihretwillen, nicht um der Empörung willen. Diese Haltung hätte Fritz Bauer sich von uns gewünscht – nein, er hätte sie erwartet!“

Das vollständige Redemanuskript ist hier abrufbar.

Kontakt: info@buxus-stiftung.de

Foto: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier  ©Bundesregierung/Steffen Kugler

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