„Ich muss den Frauen und Kindern helfen, die ihre Väter verloren haben und den Eltern, denen man die Söhne genommen hat. Ich muß auch diejenigen warnen, die sie noch nicht gefangen haben und ich muss ihnen helfen, über die Grenze ins Nachbarland zu kommen, wo Hitler sie nicht erreichen kann.“
Maria GrollmußWeiterlesen:
† 06.08.1944 in Konzentrationslager Ravensbrück
Staatsangehörigkeit bei Geburt: Deutsch
Staatsangehörigkeit bei Tod: Deutsch
Caroline Grollmuß (geborene Koelitz)
* 1863 in Karlsruhe (Baden)† 1911
Dr. Johannes Grollmuß, (sorb.: Jan Grólmus)
* 1851 in Radibor bei Bautzen† 1924 in Radibor bei Bautzen
Johannes
* 18.04.1895† 20.04.1895
Cäcilia
* 22.11.1898 in Leipzig† 1974
Ort des Kampfes für Menschenrechte: Radibor, Frauenzuchthaus Waldheim, Konzentrationslager Ravensbrück
| Bereich | Art | Von | Bis | Ort |
|---|---|---|---|---|
| Schule | Bürgerschule | 1902 | 1910 | Leipzig |
| Schule | Internat | 1910 | 1911 | Lüttich (Belgien) |
| Schule | Frauenberufsschule | 1912 | 1917 | Leipzig |
| Studium | Universität Leipzig | 1920 | 1925 | Leipzig |
| Beruf | Lehrerin | 1925 | 1926 | Offenburg |
| Ausbildung | Redaktionsvolontärin | 1926 | 1927 | Frankfurt am Main |
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
Ort: Leipzig 1920er JahreEintrittsgrund: Begeisterung für sozialdemokratische Ideen nach der Novemberrevolution 1918/19, Engagement in der sozialistischen Studentenbewegung (SSB)
Funktion / Tätigkeit:
Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP)
Ort: Leipzig/Berlin 1930er JahreEintrittsgrund:
Funktion / Tätigkeit:
Kommunistische Partei-Opposition (KPO)
Ort: Berlin 1930er JahreEintrittsgrund: Kritik an der strikten Parteilinie der KPD unter Ernst Thälmann und der stalinistischen Ausrichtung
Funktion / Tätigkeit:
Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)
Ort: Berlin 1930er JahreEintrittsgrund: Zunehmende Radikalisierung im Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Funktion / Tätigkeit:
Arbeitskreis Revolutionärer Sozialisten
Ort: Prag 1930er JahreEintrittsgrund:
Funktion / Tätigkeit: Unterstützung politischer Gefangener und deren Familien
Wie wurde die Geschichte bekannt?
Grollmuß′ Leben und Wirken wurden in Biografien, wissenschaftlichen Arbeiten und Gedenkpublikationen aufgearbeitet, etwa in der Biografie von Birgit Sack.
Wann wurde die Geschichte bekannt?
Nach dem Zweiten Weltkrieg, verstärkt in den letzten Jahrzehnten durch die Aufarbeitung des Widerstands gegen den Nationalsozialismus
Wo wurde die Geschichte bekannt?
In Deutschland, besonders in Sachsen, sowie in historischen und akademischen Kreisen.
Durch wen wurde die Geschichte bekannt?
Durch Historikerinnen wie Birgit Sack, Gedenkinitiativen und Überlebende des KZ Ravensbrück
Literatur (Literatur, Filme, Webseiten etc.)
Sack, Birgit: Maria Grollmuß. 1896-1944, Biografische Annäherung und Erinnerungsnarrative, Göttingen 2023.
Maria Grollmuß’ Engagement für Menschenrechte wurzelte in ihrem katholischen Glauben, ihrer familiären Prägung und ihrem Studium in Leipzig, wo sie durch den Internationalen Sozialistischen Studentenbund (ISSB) mit sozialistischen und pazifistischen Ideen in Berührung kam. Vorbilder wie Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg und Clara Zetkin stärkten sie ebenso wie ihre Erfahrungen in verschiedenen politischen Organisationen (SPD, SAP, KPO, KPD). Die Verfolgung durch die Nationalsozialisten und ihre Arbeit in der Widerstandsgruppe „Revolutionäre Sozialisten“ festigten ihren Einsatz für soziale Gerechtigkeit und politisch Verfolgte.
Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit
Anspruch auf Anerkennung als Rechtsperson
Gleichheit vor dem Gesetz
Verbot der willkürlichen Verhaftung oder Ausweisung
Religionsfreiheit
Recht auf freie Meinungsäußerung
Recht auf soziale Sicherheit
Recht auf Bildung und Ausbildung
Recht auf Bildung und Ausbildung
Recht auf Bildung und Ausbildung
EINLEITUNG
Maria Grollmuß (1896–1944) war eine mutige Frau, die sich ihr Leben lang für Gerechtigkeit und Menschenrechte einsetzte. Sie wuchs in einer katholischen Familie auf und entwickelte früh ein starkes soziales Bewusstsein. Während ihres Studiums in Leipzig kam sie mit sozialistischen Ideen in Kontakt und engagierte sich politisch, unter anderem in der SPD, SAP, KPO und KPD. Im Widerstand gegen die Nationalsozialisten half sie politisch Verfolgten. Für ihren Einsatz wurde sie verhaftet und ins KZ Ravensbrück gebracht, wo sie 1944 starb. Bis heute gilt sie als Vorbild für Zivilcourage und Mut im Widerstand.
DIE GESCHICHTE
Maria Grollmuß wurde am 24. April 1896 in Leipzig geboren. Ihre Mutter kam aus Baden, ihr Vater gehörte der sorbischen Minderheit an, die in der Ober- und Niederlausitz lebt. Schon früh war Maria von kultureller Vielfalt umgeben. Sie verbrachte ihre Kindheit in einem bürgerlich-katholischen Elternhaus und hatte eine jüngere Schwester namens Cäcilia. Besonders der Katholizismus ihrer Familie und ihre sorbischen Wurzeln prägten sie tief.[1] Nach der Schule machte Maria zunächst eine Ausbildung zur Volksschullehrerin (1912–1917). [2] Ab den frühen 1920er-Jahren studierte sie an der Universität Leipzig Geschichte, Germanistik, Philosophie und Französisch, 1925 legte sie das mündliche Staatsexamen für das sogenannte Höhere Lehramt in den Fächern Geschichte, Deutsch und Französisch ab. Die schriftliche Geschichtsprüfung beinhaltete Themen wie „Politische Strömungen in der deutschen Jugendbewegung“, die auch in ihrer Dissertation eine Rolle spielen würden. 1932 schloss sie ihr Studium mit einer Promotion ab – ihr Thema war der katholische Publizist Joseph Görres, der sich im 19. Jahrhundert für Demokratie und Freiheitsrechte stark gemacht hatte. Das Thema ihrer Arbeit lautete: „Joseph Görres in seiner ersten Entwicklungsperiode“.[3]
Die Suche nach einer politischen Heimat
Schon während des Studiums zeigte sich, wie sehr Maria das politische Geschehen bewegte. Die Novemberrevolution 1918/19 hinterließ einen bleibenden Eindruck bei ihr und weckte ihren politischen Tatendrang. [4] Sie probierte viel aus: Von der SPD über die Zentrumspartei bis hin zur KPD und schließlich zur SAP, bevor sie später wieder zur SPD wechselte. Diese Parteiwechsel spiegeln ihre Suche nach dem richtigen politischen Weg wider – sie wollte aktiv etwas verändern.

Maria Grollmuß auf einer Hochzeitsfeier (oberste Reihe, 4. v.r.), Camina in der Oberlausitz, 1919. © Privatbesitz/ Reproduktion Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Ausschnitt aus dem Gruppenfoto. Maria Grollmuß (links) mit ihrer Schwester Cäcilie. © Privatbesitz/ Reproduktion Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Beruflich war Maria Grollmuß ebenfalls vielseitig unterwegs. Nach ihrer Promotion arbeitete sie zunächst als Studienassessorin in Offenburg, bevor sie ein Volontariat bei der Rhein-Mainischen Volkszeitung in Frankfurt am Main begann. [5] Sie schrieb mutige und kritische Artikel, bis ihr aus politischen Gründen verboten wurde, über Innenpolitik zu berichten. Danach folgten Aushilfsjobs im Schuldienst und bei einem Berliner Arbeitsamt, doch eine feste Anstellung blieb ihr oft verwehrt. In ihrer Zeit in Offenburg und Frankfurt setzte sie sich stärker mit dem Marxismus auseinander und radikalisierte sich in ihrer politischen Haltung immer stärker.
Mitte 1920 publizierte sie das Buch „Die Frau und die junge Demokratie. Ein Bericht über Frau, Politik und Demokratie“ [6]. Dieses handelte davon, dass Frauen für die Politik besonders geeignet seien – in der Weimarer Republik stand ihnen der Weg in die Politik zwar grundsätzlich offen, jedoch gab es dennoch nur wenige Frauen, die in der Parteipolitik aktiv waren. Grollmuß sprach sich für eine Abkehr von alten Rollenbildern aus und für eine unabhängige Position der Frau in der Gesellschaft: „Aber das Bild der Frau, die ihren eigenen Weg zu den Werten des Lebens hat, nicht nur den durch den Mann und den Menschen, muss über jeder Welt leuchten, in der politische Frauen geboren werden sollen. Das Hausfrauenideal des Luthertums ist gewiss auch ein Grund für das Fehlen der politischen Frauen im preußischen Deutschland.“ [7]
Direkt nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 schloss sich Maria Grollmuß dem Widerstand an. Sie wurde innerhalb der SPD Teil des Arbeitskreises „Revolutionäre Sozialisten“, einer einflussreichen Oppositionsgruppe [8]. Sie zog nach Radibor, dem Geburtsort ihres Vaters, und setzte sich von dort aus gemeinsam mit anderen für gefährdete Genoss*innen ein. In Zusammenarbeit mit sozialistischen Exilant*innen in Prag half sie ihnen, in die Tschechoslowakei zu fliehen. Bei ihren Kurierfahrten schmuggelte sie zudem illegale Schriften nach Deutschland. Auch die Familien politischer Gefangener unterstützte die Gruppe tatkräftig. Im November 1934 wurde sie gemeinsam mit ihrem Mitstreiter Hermann Reinmuth verhaftet, nachdem sie denunziert worden waren. Der Volksgerichtshof verurteilte sie am 23. November 1935 zu sechs Jahren Zuchthaus.

© Serbski kulturny archiw
Maria Grollmuß wurde ins Frauenzuchthaus Waldheim gebracht, wo sie unter harten Bedingungen inhaftiert war. Trotzdem behielt sie ihren Mut und unterstützte andere Gefangene. Ihr katholischer Glaube wurde in dieser schweren Zeit wieder wichtiger für sie. Ihre Briefe an ihre Schwester Cäcilia zeigen, wie tief verankert ihre Spiritualität und Menschlichkeit waren (siehe unten). [9] Während ihrer Haft in Waldheim erkrankte Maria Grollmuß als Krebs. Die Nazis sahen dies als Möglichkeit, sie zu erpressen und wollten sie als Spitzelin für die sorbische Widerstandsbewegung zu gewinnen und versprachen ihr dafür, dass sie in einem guten Krankenhaus operiert werden würde. Grollmuß lehnte ab und wurde daraufhin Anfang 1940 ins Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück gebracht. [10] Dort herrschten noch brutalere Bedingungen: Hunger, Krankheiten und Gewalt gehörten zum Alltag. Doch auch hier half sie anderen: Sie kümmerte sich um ihre Mitgefangenen und versuchte, ihnen Trost und Hoffnung zu spenden. [11] In Ravensbrück lernte sie auch Germaine Tillion kennen, eine bekannte französische Widerstandskämpferin, die den Nationalsozialismus überlebte und sich nach 1945 für die Menschenrechte einsetzte und viele wichtige Schriften zum NS, auch über Ravensbrück, veröffentlichte. Sie erinnert sich so an Maria Grollmuß:“ Ich erinnere mich an Maria Grollmuß, eine Professorin, die aus der Lausitz stammte und, obwohl selbst am Ende ihrer Kräfte, vom anderen Ende des Lagers bis ganz nach hinten zu unseren jämmerlichen Baracken kam, um uns in perfektem Französisch vor den Gefahren zu warnen, die uns drohten und um uns Tips zu geben, wie wir versuchen könnten, ihnen zu entgehen.“ [12]
Der Tumor in Maria Grollmuß‘ Körper war inzwischen fortgeschritten und am 6. August 1944 starb sie im Alter von 48 Jahren an einer Bauchfellentzündung. [13]
Heute erinnert man sich an Maria Grollmuß als eine beeindruckende Frau, die nie aufgehört hat, für ihre Überzeugungen einzustehen. Ihr Leben zeigt, wie viel Mut und Stärke in einem Menschen stecken können – und welch hohen Preis man mitunter für Freiheit und Gerechtigkeit zahlen muss.

Briefmarke aus der DDR aus dem Jahr 1959 zur Erinnerung an Maria Grollmuß
Abschrift eines Briefs von Maria Grollmuß aus dem Zuchthaus Waldheim an ihre Schwester Cäcilie, 8. September 1940

Bundesarchiv, DY 55/1259

Bundesarchiv, DY 55/1259

Bundesarchiv, DY 55/1259
Autorin: Asli-Hülya Özbay
Kontakt: info@fritz-bauer-forum.de
Quellen:
Grollmuß, Maria. Die Frau und die junge Demokratie. Ein Bericht über Frau, Politik und Demokratie. Leipzig; Frankfurt am Main: Deutsche Nationalbibliothek; 2017 [1925]. URL: https://portal.dnb.de/bookviewer/view/1143235827#page/n0/mode/2up [letzter Abruf: 16.07.2025].
Kollecker, Kerstin: Dr. Maria Grollmuss. 1896-1944, Politische, frauenbewegte Journalistin, Widerstandskämpferin, URL: https://www.frauenorte-sachsen.de/die-frauen/dr-maria-grollmu%C3%9F/ [letzter Abruf: 16.07.2025].
Sack, Birgit. Maria Grollmuß. 1896-1944, Biografische Annäherung und Erinnerungsnarrative, Göttingen 2023.
Schäfer, Gerhard. Dr. Maria Grollmuß (1896-1944): eine fast vergessene Grenzgängerin, in: JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Jg. 2012, Heft III, S. 104-131.
Fußnoten:
