Ein|Ausblicke 06/2024

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01.07.2024

Vor unserer Veranstaltungspause im Juli/ August haben wir uns nochmal mit vielen unterschiedlichen Themen wie Meinungsfreiheit, dem Brand in der Region Valparaíso in Chile, dem Widerstand gegen das NS-Regime in Dortmund sowie mit Diskriminierung im Fußball beschäftigt. Im Spätsommer und Herbst gibt es dann die nächsten Veranstaltungen, darunter zum „Tag des offenen Denkmals“, eine Buchveröffentlichung in der Reihe unserer „Fritz Bauer Bibliothek“ zum Thema Colonia Dignidad  sowie weitere Veranstaltungen zu dem anhaltenden Konflikt in Israel und Palästina.

 

„Europa in der Schule!?“ – Vortrag und Diskussion in Kooperation mit der Ruhr-Universität-Bochum

© FRITZ BAUER FORUM | BUXUS STIFTUNG

Für uns bleiben, gerade wegen der Ergebnisse der Europawahl, Europa und die Europäische Union ein wichtiges Thema. Doch wie können wir nachhaltig Menschen erreichen und für die europäische Idee begeistern? Eine Antwort darauf: Lehrer*innen. Daher haben wir uns sehr gefreut, zusammen mit der Ruhr-Universität-Bochum, der Professional School of Education und dem Arbeitgeberverband Ruhr/Westfalen eine Fortbildung für Lehrer*innen zu diesem Thema anbieten zu können.

Die Professional School of Education der Ruhr-Universität Bochum veranstaltet seit längerer Zeit eine Reihe an Veranstaltungen mit dem Titel „Bildung im Fokus“. Dabei geht es um Fragen zum Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis im Bereich von Bildung und Schule. Wir freuen uns sehr, dass die 8. Ausgabe der Reihe im Fritz Bauer Forum stattgefunden hat. Inhalt der Veranstaltung war – passenderweise kurz vor der Europawahl – die Frage, wie Europa in der Schule verstanden und gelehrt wird. Eingangs beleuchtete der Vortrag des Historikers Prof. Dr. Markus Koller die Frage, was Europa eigentlich konkret ist und welche unterschiedlichen Geschichtsbilder im Unterricht zum Tragen kommen. In der anschließenden Diskussion mit Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis ging es um die Wirkmacht vergangener und aktueller räumlicher sowie politischer Grenzen, um die Art und Weise, wie historische Bildung vermittelt wird und um die Herausforderungen, denen Lehrer*innen im Alltag begegnen. Deutlich wurde, dass Europa stark von Vielfalt geprägt ist und dies als Stärke verstanden werden muss, Schule als Ort der Bildung aber gleichzeitig offen sein sollte für neue Lehr- und Lernkonzepte.

 

Die roten Linien der Meinungsfreiheit

Umar Abdul Nasser während der Performance in der Fritz Bauer Bibliothek © FRITZ BAUER FORUM | BUXUS STIFTUNG

In Kooperation mit der Volkshochschule Bochum und der Stadtbücherei Bochum konnten wir Anfang Juni Susann Franke, Projektleiterin des Projekts „Hafen der Zuflucht Hessen“ des Vereins „Gefangenes Wort e.V.“ in Gießen sowie Umar Abdul Nasser, ein in Berlin lebender irakischer Dichter, Songwriter und Performance-Künstler ins Fritz Bauer Forum einladen. Susann Franke berichtete in ihrem Vortrag von der Bedeutung von Meinungsfreiheit weltweit und ging dabei auf einige spezifische Beispiele ein, unter anderem auf den Fall des kurdischen Journalisten Nedim Türfent oder den der aus Eritrea stammenden Schriftstellerin und Journalistin Yirgalem Fisseha Mebrahtu (deren Geschichte Sie hier in der interaktiven Fritz Bauer Bibliothek nachlesen können). Anschließend bot Umar Abdul Nasser eine künstlerische Performance dar, die sich auf künstlerischer Ebene mit dem Thema Meinungsfreiheit und der Erfahrung von Krieg, Gewalt und Frieden auseinandersetzt. Ein abwechslungsreicher Abend, der vor allem hervorhob, wie wichtig zuverlässige Nachrichtenquellen sind und dass wir denjenigen zuhören müssen, deren Stimme von diktatorischen Regimes unterdrückt wird.

 

Solidarität mit Chile – Matinee

Ein Einblick in die Matinee vor der Fritz Bauer Bibliothek © FRITZ BAUER FORUM | BUXUS STIFTUNG, Fotograf: Richard Lensit

Zusammen mit dem Bündnis Solidarität mit Chile veranstalteten wir am 9. Juni in der Fritz Bauer Bibliothek eine Matinee für den Wiederaufbau in der chilenischen Region Valparaíso. Anfang des Jahres erlebte Valparaíso den wahrscheinlich schlimmsten Brand seiner Geschichte, besonders hart traf es die ärmeren Viertel der Stadt. Eben hier steht auch die Escuela Popular de Arte (EPA), eine Schule betrieben von einer NGO, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Kinder der Region in Musik und Kunst zu unterrichten. Die Schule selbst blieb zwar vom Feuer verschont, aber viele der betroffenen Familien verloren ihren gesamten Besitz, darunter auch die Musikinstrumente der Kinder.

Neben einer Versteigerung eines gespendeten Gemäldes gab es an diesem Tag viel zu entdecken. In der 1. Etage der Bibliothek wurden unterschiedliche Kunstobjekte ausgestellt, die über das Bündnis Solidarität mit Chile erworben werden konnten, leckeres Essen und Musik von Grupo Manzanar. Die Musiker*innen der Grupo Manzanar verbindet eine persönliche Beziehung mit der EPA, über die die Künstler*innen neben ihrer Musik im Rahmen eines Vortrages über die aktuelle Situation vor Ort berichteten.

Die gesamten Einnahmen des Tages, mehr als 1000€, werden direkt an die EPA gespendet.

 

Buchvorstellung „Vergessene Schicksale“ mit der Autorin Dagmar Scholz

Dagmar Scholz während der Buchvorstellung von „Vergessene Schicksale“ © FRITZ BAUER FORUM | BUXUS STIFTUNG, Fotograf: Richard Lensit

Am 11. Juni stellte die Autorin Dagmar Scholz zusammen mit dem Leiter des Vereins Gestapo-Museum Bergen Tor Jan Ropeid das in unserem Verlag BUXUS EDITION erschienene Buch Vergessene Schicksale vor. Das Buch befasst sich mit dem Widerstand gegen das NS-Regime in Dortmund durch eine Gruppe Schüler*innen, der sogenannten Paul-Winzen-Gruppe.

Die Autorin Dagmar Scholz erzählte von der Entstehungsgeschichte des Buches und dem Widerstand der Gruppe um den Dortmunder Paul Winzen. Denn das Ziel des Buches sei es, so Dagmar Scholz, diejenigen zu Wort kommen zu lassen, die nicht mehr für sich selbst sprechen konnten. Auch der Aspekt der Täter spielt eine Rolle, bei der Buchvorstellung sprach dazu der aus Norwegen angereiste Tor Jan Ropeid, Autor des Vorworts des Buches und Leiter der Gedenkstätte über die Geschichte der Gestapo und deutschen Besatzung in Bergen, Norwegen. Einer der Dortmunder Täter war 1941 dorthin versetzt worden und war dort bekannt für seine grausamen Verhörmethoden.

Im Buch erfährt man mehr darüber, wie sich die Widerstandsgruppe um Paul Winzen organisierte, wie ihr Widerstand konkret aussah und über ihre Verfolgung. Ebenso enthalten sind die Nachforschungen zu den Tätern und ihrem Wirken in Dortmund und Norwegen. Insgesamt zeichnet das Buch Vergessene Schicksale ein eindrückliches Bild vom mutigen und aufopferungsvollen Widerstand gegen das NS-Regime.

Das Buch kann hier in unserem Onlineshop erworben werden.

Der Vortrag von Dagmar Scholz und Tor Jan Ropeid wird in Kürze auf unserem YouTube Kanal publiziert.

 

Vom Aufbau transkultureller Gärten, Selbststärkung und -versorgung geflüchteter Frauen

Anuscheh Amir-Khalili während des Vortrags in der Fritz Bauer Bibliothek © FRITZ BAUER FORUM | BUXUS STIFTUNG

Am 20. Juni berichtete uns Anuscheh Amir-Khalili (Anstiftung, München) vom Aufbau des Gartenprojekts HEVRîN XELEF in Berlin-Neukölln. Der Garten, benannt nach der Politikerin Hevrîn Xelef, bietet geflüchteten Frauen* die Möglichkeit zur Selbststärkung, Selbstorganisation und Selbstversorgung. Neben einer tiefen Verbundenheit zu Rojava und dem Projekt rojava healthcare sowie zur Mutter der 2019 ermordeten Hevrîn Xelef zeichnet sich der Garten durch die dort angepflanzten Heil- und Nutzpflanzen aus. So wurde beispielsweise 2022 eine schwarze Maulbeere in Gedenken an die in Polizeigewahrsam gestorbene Jina Mahsa Amini gepflanzt. Aus dem Holz der schwarzen Maulbere werden im Iran traditionell Flöten gefertigt, die auf Beerdigungen gespielt werden. Ein weiterer Baustein des Gartens ist die Kultivierung von Wissen um Heilpflanzen und Heilmittel aus der ganzen Welt, welches von den geflüchteten Frauen* zusammengetragen, geteilt und weitergegeben wird. Der Garten „HEVRîN XELEF“ zeigt so auf eindrucksvolle Weise wie Solidarität und ein transkultureller Ansatz ganz praktisch aussehen kann.

 

Menschenrechte und Fußball

David Berchem während des Vortrags in der Fritz Bauer Bibliothek © FRITZ BAUER FORUM | BUXUS STIFTUNG

Pünktlich zur Fußball-Europameisterschaft der Männer 2024 dominieren in Deutschland wieder Bilder und Eindrücke, die die idealtypische Welt des Fußballs zeigen. Die oft zitierte integrative Kraft des Fußballs und die Arbeit der Vereine sind es, die hier in dieser Berichterstattung im Mittelpunkt stehen. Auf der anderen Seite sehen wir eine Zunahme antisemitischer Vorfälle und politische Raumgewinne rechtsextremer Parteien und Gruppen. Welche Herausforderungen ergeben sich für die politische Bildung in einer postnationalsozialistischen Gesellschaft, welche antidemokratischen und menschenfeindlichen Tendenzen spiegeln sich im Fußball wider? Denn klar ist, gesellschaftliche Entwicklungen zeigen sich auch im Fußball.

Zusammen mit der Meldestelle für Diskriminierung im Fußball NRW (MeDiF-NRW) gingen wir während der Gruppenphase dieser und weiteren Fragen nach. In diesem Rahmen sprach Dr. David Berchem am 21. Juni in der Fritz Bauer Bibliothek über Antisemitismus im Fußball. Berchems Ausgangsfrage dabei; „Wie materialisiert sich Antisemitismus im Fußball?“. Beginnend mit einigen einführenden Worten hin zu einer Arbeitsdefinition von Antisemitismus bereitete Berchem die Zuhörer*innen auf Fallbeispiele vor, die zeigten, wie präsent diese spezifische Form der Diskriminierung im Fußball ist. Versteckt oder offen, in Form von Bildern oder Metaphern, Antisemitismus ist wandelbar und passt sich seinem gesellschaftlichen Kontext an. Sowohl in seiner integrierenden als auch in seinen ausgrenzenden Formen ist Fußball politisch, so Berchem. Diskriminierende Aussagen und Haltungen sind weit verbreitet im Fußball und zeigen sich durch ganz unterschiedliche Darstellungsweisen. Seien es Zahlencodes auf Trikots, versteckte Codes auf Bannern und Plakaten oder ganz offen in der Form des „U-Bahn-Lieds“. Das Wort „Jude“ gilt hier vielen als maximale Beleidigung, auch über Ultra-Gruppen und rechtsextreme Fußballfans hinaus. MeDiF-NRW beobachtet zudem eine Verstärkung des israelbezogenen Antisemitismus seit dem 7. Oktober 2023, vor allem gegenüber den Makkabi-Vereinen. Berchems Vortrag zeigte aber nicht nur die Abgründe der Fußball-Fangemeinschaft auf, sondern stellte auch dar, was einzelne Personen, Faninitiativen, aber auch große Vereine tun, um diesen Entwicklungen entgegen zu wirken.

Der Vortrag von David Berchem wird in Kürze auf unserem YouTube Kanal publiziert.

Der Workshop „Was haben Fritz Bauer, der Auschwitz-Prozess und Diskriminierung im Fußball gemeinsam?“ ist auf den 8. November 2024 verschoben.

 

Wir wünschen Ihnen und euch einen erholsamen Sommer und freuen uns Sie und euch im Spätsommer wieder zu Veranstaltungen im Fritz Bauer Forum begrüßen zu dürfen!

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