Ein|Ausblicke 10/2024

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04.11.2024

Im Oktober haben wir uns mit vielen internationalen Themen befasst, darunter die Geschichte von Militärdiktaturen in Lateinamerika und Kolonialismus im Fußball. Ein besonderes Highlight war dabei die Buchvorstellung des in der BUXUS EDITION erschienenen Buches Erinnerungen von Ilse an Colonia Dignidad. Im Rahmen eines Vortrags haben wir uns mit den Auswirkungen des amerikanischen Wahlkampfs auf die Demokratien in Europa befasst. Außerdem fanden die letzten Baustellenführungen statt.

„Der Hinterhof – Chile, Lateinamerika und die USA“

Günter Pohl in der Fritz Bauer Bibliothek | © BUXUS STIFTUNG | Fritz Bauer Forum

Gleich zu Beginn des Monats fand in der Fritz Bauer Bibliothek eine Veranstaltung statt, die inhaltlich an unsere Lateinamerika-Reihe von Ende 2023 anknüpfte. Günter Pohl, der sich bestens in verschiedenen Ländern Südamerikas auskennt, sprach in seinem Vortrag „Der Hinterhof – Chile, Lateinamerika und die USA“ davon, warum wir uns alle an den Putsch in Chile erinnern, die Militärdiktaturen in Paraguay, Uruguay oder Argentinien aber größtenteils in Vergessenheit geraten sind. Er gab einen Überblick über diese verschiedenen Militärdiktaturen und ihre jeweilige Aufarbeitung. In einer spannenden Diskussion drehte es sich viel um die Frage, welche Konsequenzen wir daraus für unsere Gegenwart ziehen: Wichtig ist es auf jeden Fall, die Täter klar zu benennen und über ihre Verbrechen zu sprechen. Dabei dürfen wir aber vor allem auch nicht den vielfältigen Widerstand vergessen, denn die Opfer waren größtenteils politische Widerstandskämpfer*innen und auch der Kampf gegen das Vergessen und für eine offene Auseinandersetzung mit der Geschichte hat bereits während der Diktaturen begonnen. Dass die lateinamerikanische Erinnerungskultur ein viel weniger passives Verständnis von den Opfern der Diktatur hat, als es beispielsweise in der deutschen Erinnerungskultur hinsichtlich der Opfer des Nationalsozialismus vorherrscht, war eines der Themen in der anschließenden Diskussion und wird uns als Fragestellung weiter begleiten.

#DecolonizeFootball mit Ronny Blaschke

Am 4. Oktober stellte der Sportjournalist und Autor Ronny Blaschke im Deutschen Fußballmuseum Dortmund sein neues Buch Spielfeld der Herrenmenschen. Kolonialismus und Rassismus im Fußball vor. Das Fritz Bauer Forum war dabei Kooperationspartner der Veranstaltung. Das Buch, das zwischenzeitlich von der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur zum „Fußballbuch des Jahres 2024“ gekürt wurde, entstand nach langer Recherche-Arbeit und unzähligen Interviews auf insgesamt fünf Kontinenten. Blaschke beschreibt darin nicht nur die historische Dimension von Kolonialismus und Rassismus im Fußball, sondern vor allem auch ihre Ausprägungen bis heute. Nach der Eröffnung des Fritz Bauer Forums im Mai 2025 wird das Buch auch in der Fritz Bauer Bibliothek zur Lektüre bereitstehen.

Von der Ordnung der Welt – Philosophie im Dialog

An einem Sonntagvormittag lud das Fritz Bauer Forum zur Lesung und Diskussion mit dem Autor Günter Pohl in die Bibliothek ein. Bereits zum zweiten Mal ist er zu Gast, um ein Buch aus seiner Trilogie, „Von der Ordnung der Welt“, vorzustellen, diesmal die Neuerscheinung  Der Mensch ist Entwicklung (2024). In der Diskussion über die Textstellen, bei denen die Protagonisten Noem und Myop zu Wort kamen, wurde über die Philosophiegeschichte, den Fortgang der Menschheit und des Planeten und das Sein lebendig philosophiert.

BUCHVORSTELLUNG: Erinnerungen von Ilse an Colonia Dignidad

Mathias Sasse, Emma Sepúlveda Pulvirenti und Irmtrud Wojak in der Fritz Bauer Bibliothek | © © BUXUS STIFTUNG | Fritz Bauer Forum, Foto: Richard Lensit

Am 15. Oktober war die Autorin und Historikerin Emma Sepúlveda Pulvirenti bei uns zu Gast, um ihr am 25. September in der Buchreihe Fritz Bauer Bibliothek erschienenes Buch Erinnerungen von Ilse an Colonia Dignidad vorzustellen. Ebenfalls zu Gast war der Übersetzer des Buches, Dr. Mathias Sasse.

Das Buch erzählt die Geschichte der Protagonistin Ilse, die als Überlebende der Colonia Dignidad die Verbrechen der „Colonos“ anprangert. Mit der Lesung verschiedener Textstellen durch die Bochumer Schauspielerin Maria Wolf erhielten die Besucher*innen einen tiefen Einblick in diese emotionale und düstere Geschichte. Im Anschluss diskutierten Emma Sepúlveda Pulvirenti, Mathias Sasse und Irmtrud Wojak, Herausgeberin der Reihe und Leiterin des Fritz Bauer Forums, gemeinsam mit dem Publikum über das Buch und die aktuelle Situation der ehemaligen Colonia Dignidad, heute Villa Baviera. Danach ging es für die Autorin weiter auf Lesereise auf die Buchmesse in Frankfurt, sowie nach Berlin in die Botschaft der Republik Chile und nach Bremen.

Die Buchvorstellung und Lesung wird in Kürze auf unserem YouTube Kanal publiziert. Das Buch ist hier in unserem Onlineshop zu kaufen.

Workshop „Verschwörungsideologien und Antisemitismus“

Sebastian Pöppe und Ole Merkel beim Workshop in der Fritz Bauer Bibliothek | © Fritz Bauer Forum

Warum eigentlich Verschwörungsideologie und nicht Verschwörungstheorie? Was heißt das eigentlich genau? Darum ging es zu Beginn des dreistündigen Workshops, den die beiden Referenten Sebastian Pöppe und Ole Merkel am 22. Oktober in der Fritz Bauer Bibliothek leiteten. Er war Teil unserer Veranstaltungsreihe „We need need need to talk“, die von Demokratie leben! gefördert wird. Durch einen Blick auf die historische Entwicklung von Verschwörungsideologien wurde deutlich, wie eng diese bis heute von Antisemitismus durchwachsen sind. In regen Diskussionen wurden verschiedene Aspekte dessen und das Zusammenwirken von verschwörungsideologischem und antisemitischem Gedankengut näher beleuchtet. Zu Ende wurden Handlungsmöglichkeiten zum Umgang mit solchem Gedankengut aufgezeigt und ein spannender und informativer Workshop so auf ermutigende Weise abgerundet.

 

Der Fußball als Resonanzraum für neurechte Metapolitik?

Dr. David Berchem beim Workshop in der Fritz Bauer Bibliothek | © Fritz Bauer Forum

Um die Frage, welche raumgreifenden Strategien der ‚Neuen Rechten‘ im Fußball zu finden sind und welche Mittel die politische Bildungsarbeit dagegen einsetzen kann, ging es bei dem Vortrag von Dr. David Berchem am 30. Oktober 2024 in der Fritz Bauer Bibliothek. Ausgehend von einigen Fallbeispielen gab er einen Überblick über die Wirkmacht rechter Sprache, Bildsymbolik und Chiffren und stellte heraus, wie weit verbreitet diese im (Amateur- und Profi-)Fußball sind. Dabei wird oftmals die durch Fußball hervorgerufene Emotionalität zur Relativierung von Diskriminierungen genutzt. Durch politische Bildungsarbeit, wie sie zum Beispiel bei der Meldestelle für Diskriminierung im Fußball (MeDiF-NRW) stattfindet, kann dem präventiv entgegengewirkt werden. So zum Beispiel auch in dem Workshop, der am 8. November von 09.00-15.30 Uhr in der Fritz Bauer Bibliothek stattfindet : „Was haben Fritz Bauer, der Auschwitz-Prozess und Diskriminierung im Fußball gemeinsam?“ Eine Anmeldung ist noch unter magdalena.koehler@ifbb.fritz-bauer-forum.de möglich.

Die Rolle der US-Wahl für die Demokratie in Europa

Dr. Tobias Cremer in der Fritz Bauer Bibliothek | © BUXUS STIFTUNG | Fritz Bauer Forum, Fotograf: Richard Lensit

Am 31. Oktober 2024 sprach der Abgeordnete des Europäischen Parlaments Dr. Tobias Cremer (SPD) zusammen mit Prof. David Elcott (Wagner School of Public Service at NYU) über die Wahlen in den USA am 5. November und ihre Bedeutung für die europäischen Demokratien. In einer vollen Fritz Bauer Bibliothek beschrieb Cremer die aktuelle Situation in den USA. Cremer ging dabei besonders auf die Identitätsbildung der amerikanischen Bevölkerung ein, die sich in den vergangenen Jahren verändert habe. In der Vergangenheit seien Religion, Gewerkschaftszugehörigkeit und Klasse die maßgeblichen Identifikationsmerkmale der breiten Bevölkerung gewesen. Die Abnahme der Bedeutung dieser Merkmale sei es, welche die Amerikaner in eine Identitätskrise stürzte, an deren Ende nur noch die Unterteilung in republikanisch und liberal stehe.

Für Europa sei darüber hinaus klar, dass sich das Verhältnis zu den USA ändern wird, unabhängig vom Wahlergebnis. Denn sowohl Kamala Harris als auch Donald Trump werden amerikanische Interessen an die Spitze ihrer Politik stellen, auch, aber nicht nur, aufgrund der von Cremer analysierten Identitätskrise der Bevölkerung. Gleichzeitig blickt die ganze Welt auf diese Wahl mit der Frage: Ist die liberale Demokratie in diesen Zeiten noch eine tragfähige Idee und lohnt es sich, für sie zu kämpfen?

David Elcott, live zugeschaltet aus den USA, zeichnete derweil ein noch düstereres Bild. Innerhalb einer einzigen Generation, so Elcott, habe sich ein wirklich bedrohliches Szenario entwickelt. Weniger als 20% der US-Wähler*innen vertraue in die Regierung. Dabei haben Donald Trump und sein autokratischer Populismus keinen besonderen Mehrwert jenseits von Ego und Wut. Demokratien leben von Demokrat*innen, die sich an die für alle geltenden Spielregeln halten, sie sind konsensorientiert, wollen die Struktur am Laufen halten oder verbessern, doch Autokraten spielen dieses Spiel anders. Es gehe ihnen nicht um politische Teilhabe und Mitbestimmung in einem demokratischen Rahmen. Sie wollen das Spiel gewinnen und wenn sie gewinnen, ist das Spiel vorbei, betonte Alcott, denn es geht ihnen bloß um die Macht.

Der Vortrag von Cremer und Elcott wird in den kommenden Tagen auf unserem Youtube Kanal veröffentlicht.

Die letzten Baustellenführungen

Am 2. und 23. Oktober 2024 fanden unsere letzten Baustellenführungen auf dem Gelände des künftigen Fritz Bauer Forums statt, denn mit dem aktuell laufenden Einbau der Fenster rückt der Innenausbau des Gebäudes und somit die Fertigstellung immer näher. Somit konnten zwei Teilnehmendengruppen also noch einmal einen Blick auf die Baustelle werfen, die neusten Entwicklungen entdecken und die jüngste Fotodokumentation der Baustelle und des im Sommer begrünten Daches betrachten. Daneben wurde auch die Historie des Gebäudes und des Architekten Ferdinand Keilmann beleuchtet.

Auch wenn dies nun die letzte Baustellenführung auf dem Gelände war, können Sie bei unseren kommenden Veranstaltungen weitere Entwicklungsschritte am Bau beobachten. Auch auf unseren Social Media Kanälen, im Newsletter und im Blog des Fritz Bauer Forums werden wir die weitere Entwicklung unseres Forums bis zu Eröffnung begleiten – also gerne vorbeischauen.

Headerbild: Emma Sepúlveda Pulvirenti © BUXUS STIFTUNG | Fritz Bauer Forum

 

Kommende Veranstaltungen

08. November, 9.00 – 15.30 Uhr: Was haben Fritz Bauer, der Auschwitz-Prozess und Diskriminierung im Fußball gemeinsam? | Antisemitismuskritischer Workshop. Weitere Infos hier.

09. November, 14.00 – 15.30 Uhr: 80 Jahre danach – verdrängt, vergessen und verschleppt?  Weitere Infos hier.

21. November, 18.00 – 19.30 Uhr: Dr. Muriel Asseburg | Der 7. Oktober, der Krieg im Gazastreifen und Aussichten für eine Konfliktregelung. Weitere Infos hier.

23. November, 13.30 – 15.30 Uhr: Menschenrechte in der Klimakrise | Tag der Menschenrechte Forum. Weitere Infos hier.

28. November, 18.00 – 19.30 Uhr: Eindrücklichkeit Chiles. Weitere Infos hier.

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