27.08.2024
Unterstützung für verfolgte Gewerkschafter*innen
Von Ulrich Breitbach
Am 16. August 2024 verkündete Lukaschenko in Minsk eine Amnestie für 30 Häftlinge, darunter 19 politische Gefangene. Manche von ihnen sind ernsthaft erkrankt und weitere Haft hätte ihr Leben bedroht. Eine gute Nachricht also. Doch Grund für ein allgemeines Aufatmen gibt es nicht.
Die belarussische Menschenrechtsorganisation Viasna meldete am 24. August 1.376 Personen, die aus politischen Gründen in den Gefängnissen und Straflagern des Landes eingekerkert sind. Zumeist lauten die Urteile gegen sie auf Beleidigung des Präsidenten, Hochverrat und Terrorismus. Doch tatsächlich wurden sie zu drastischen Strafen von bis zu 15 Jahren verurteilt, weil sie das vom Lukaschenko-Regime gefälschte Ergebnis der Präsidentschaftswahlen von 2020 nicht hinnehmen wollten und Streiks und Demonstrationen für die Demokratie organisierten.
Das Beispiel Palina Sharenda Panasiuk
Die unabhängige Gewerkschaftsbewegung von Belarus war und ist wesentlicher Teil dieser Bewegung. Ihre Führungsspitze wurde ins Gefängnis geworfen, nachdem sie im Februar 2022 gegen Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine Unterstützung durch Lukaschenko protestiert hatten. Sechs Gewerkschafterinnen und 26 Gewerkschafter befinden sich gegenwärtig hinter Gefängnismauern. Eine von ihnen ist Palina Sharenda-Panasiuk, deren Schicksal hier – stellvertretend für das aller anderen – etwas ausführlicher dargestellt werden soll.
Palina ist 49 Jahre alt, verheiratet und Mutter zweier Kinder. Sie war Mitglied der Gewerkschaft der Beschäftigten der radioelektronischen Industrie und Aktivistin der Opposition gegen Lukaschenko in Brest. Sie hat die Präsidentschaftskandidatur von Svetlana Tichanowskaja unterstützt. Im Januar 2021 wurde sie verhaftet und im Juni wegen Beleidigung des Präsidenten und angeblicher Gewalt gegen einen Polizeioffizier zu zwei Jahren verurteilt. Im selben Jahr hat man sie fünfmal für längere Zeit in eine Strafzelle gesteckt. 2022 musste sie achtmal für insgesamt fast drei Monate in die Strafzelle. Die Bedingungen dort heißen: Völlige Isolation, im Winter keine Heizung, tagsüber zwangsweise aufrechtes Sitzen auf einer Bank aus Beton ohne jede Beschäftigung, nachts Schlafen auf dem nackten Boden ohne Matratze, Kissen, Bettwäsche.
Einmal wurde sie von offensichtlich gedungenen Mithäftlingen überfallen und trug eine Nierenquetschung und einen Nasenbeinbruch davon. Pakete mit Kleidung und Medikamenten wurden ihr vorenthalten. Nach Ablauf der Haftstrafe wurde Palina nicht freigelassen, sondern wegen „böswilliger Missachtung von Anordnungen der Gefängnisverwaltung“ zu einem weiteren Jahr Gefängnis verurteilt. Auch nach Ablauf dieses Jahres kam sie nicht frei, sondern erhielt abermals aus dem gleichen vorgeschobenen Grund ein weiteres Haftjahr.
Palinas vollständige Geschichte finden Sie demnächst in der interaktiven Fritz Bauer Bibliothek.
„Sie bringen Palina langsam um“
Es ist offensichtlich, dass das Regime Palina physisch und psychisch brechen will. Und tatsächlich geht es ihr mittlerweile gesundheitlich sehr schlecht. Sie leidet unter einer chronischen Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Andrei Sharenda, ihr Ehemann, erklärt: „Unter den Bedingungen, denen Palina in der Haft ausgesetzt ist, ist die Diagnose gleichbedeutend mit der Todesstrafe. Wir haben zunächst von der Diagnose nichts gewusst, aber wir haben Informationen erhalten, dass sie Bauchschmerzen hat und rapide an Gewicht verliert. Irgendwann wog sie nur noch 50 Kilo. In allen offiziellen Antworten auf unsere Anfragen an die Gefängnisverwaltung wurde behauptet, Palina sei gesund und würde jede notwendige Hilfe erhalten.“ Tatsächlich wird ihr die erforderliche Behandlung vorenthalten, so Andrei Sharenda: „Die Krankheit erfordert eine spezielle Diät, eine besondere Behandlung, Freistellung von der Arbeit, gute Haftbedingungen und sorgfältige medizinische Überwachung. All das wird Palina verweigert. Stattdessen hat man willkürlich Bedingungen herbeigeführt, die genau das Gegenteil dessen bedeuten, was notwendig wäre, zum Beispiel lange Transporte von einem Gefängnis zum anderen und miserable Ernährung. Sie geben ihr nicht die erforderlichen Medikamente. Lebensmittel, die wir ihr schicken, werden ihr vorenthalten. Und sie tun das in voller Kenntnis der Diagnose. Das ist der Grund, warum ich sage: Sie sind in der Tat dabei, meine Frau langsam umzubringen.“
Solidarität mit Palina und all den anderen
Die internationale Gewerkschaftsbewegung, deren Mitglied Palina ist, hat eine lange Tradition der Solidarität über Grenzen hinweg im Kampf für die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Demokratie. „Gewerkschaftsfreiheit International“, eine Initiative der IG Metall in Kooperation mit Amnesty international, will diese Tradition lebendig halten und in praktisches Handeln umsetzen. Sie setzt sich für Palina ein. Palina muss sofort die erforderliche medizinische Behandlung erhalten und umgehend in Freiheit gelangen. Und nicht nur sie, alle politischen Gefangenen in Belarus müssen freigelassen werden! Das fordern wir in Petitionen und Resolutionen an die Botschaft von Belarus. Doch nicht nur die Gewerkschaftsbewegung, alle Demokratinnen und Demokraten, alle, denen die Freiheit und ihre Bewahrung am Herzen liegt, sind aufgerufen, sich ebenfalls zu engagieren. Beispieltexte und auch eine Möglichkeit, elektronisch für die Freiheit von Palina zu unterschreiben, gibt es auf der Homepage des IG Metall-Bildungszentrums Sprockhövel.
Weitere Informationen (auf englisch) unter: https://prisoners.spring96.org/en/person/palina-szarenda-panasjuk und https://www.salidarnast.info/